Konferenz 2023

Wir laden Sie herzlich zu unserer traditionellen Deutsch-Tschechischen Konferenz ein, die vom 10. Februar bis 12. Februar 2023 in Olomouc stattfinden wird! Wir haben ein umfangreiches und abwechslungsreiches Programm für Sie vorbereitet. Sie können sich auf Referent:innen aus der Tschechischen Republik, Deutschland und der Ukraine freuen.

Gleichzeitig werden wir gemeinsam das zehnte Jubiläum unserer Jugendorganisation Spirala feiern.


Europa (wieder) am Scheideweg
Ein Text zur deutsch-tschechischen Konferenz

Zum Jahreswechsel werden viele von uns die gewohnte Reflexion über unser Leben vornehmen: Wir erinnern uns an all die Erfolge und Misserfolge, an die freudigen Ereignisse und an die traurigen Abschiede von denjenigen, die ihren letzten Weg gegangen sind, oft ohne ein letztes Wort. Selbst ein Blick in den Himmel mag uns nicht immer trösten, denn auch der ist in dieser Winterzeit meist stahlgrau und sprachlos. Wie also kann man den Hauch der Stimme Gottes hören, besonders in diesen Tagen, in denen Waffen aller Art laut donnern?

Am 24. Februar, als Putins Russland in die Ukraine einmarschierte und einen neuen, nun völlig offenen Krieg nach Europa brachte, wurden wir erneut in die Vergangenheit versetzt: diesmal in die dunklen Momente des 20. Jahrhunderts. Erneut sind wir mit der Art von Großmachtdenken konfrontiert, das nur die Macht der Waffen und die traditionelle Geopolitik kennt - ein Denken, das das 19. und 20. Jahrhundert auf verhängnisvolle Weise beherrschte und Europa und der Welt letztendlich zwei Weltkriege bescherte. Die derzeitige russische politische Elite zögert nicht, jedes Mittel einzusetzen, um ihre Macht und ihre durch zweifelhafte Mittel erworbene wirtschaftliche Position zu konsolidieren. Unterstützt wird die Elite neben den ideologischen Konstrukten der großen "russischen Welt", die ihrer Meinung nach wiederhergestellt werden muss, auch durch die seit langen bestehenden Feindbildern - wie das Bild des so genannten kollektiven Westens mit seiner "dekadenten Kultur" und seinen "Pseudowerten", die angeblich das Werk des Satans selbst sind (wenn man den Worten der höchsten Vertreter der russischen Orthodoxie Glauben schenken will).

Der 24. Februar 2022 war für die meisten von uns ein grausamer Weckruf. Neben der sich verschlechternden internationalen politischen Lage, registrierten wir auch die knirschenden Getriebe der europäischen Institutionen und fragten uns besorgt, wie unsere Republik - in der es leider keinen klaren Konsens über die grundlegenden Fragen der europäischen Integration gibt - die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union bewältigen würde. Der brutale Angriff Russlands auf die Ukraine und der Anblick von Millionen von Kriegsflüchtlingen haben uns vorübergehend mobilisiert und unsere positiven menschlichen Eigenschaften, unsere Bereitschaft zu helfen oder Wiedergutmachung zu leisten, geweckt. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft wird von unseren Partnern als erfolgreiche Wiedergutmachung für die Blamage angesehen, die unser Land 2009 "verdient" hatte, als die damalige Opposition die tschechische Regierung inmitten der Ratspräsidentschaft stürzte. Das Jahr 2022 war jedoch auch der Höhepunkt eines heimtückischen hybriden Krieges gegen die europäischen Demokratien, bei dem die Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine, die Energiekrise, die Inflation, die drohende Wirtschaftsrezession und die anhaltenden Auswirkungen der Corona-Pandemie propagandistisch ausgenutzt wurden, um eine explosive Mischung zu schaffen. Populisten und Demagogen aller Art sahen ihre Chance gekommen und ergriffen sie schnell. Vorher unsichtbare soziale Blasen materialisieren sich in Protestaktionen, bei denen sich radikale, systemfeindliche Kräfte unter dem Slogan "Tschechien zuerst" versammeln - mit ihnen auch einige Mitbürger, die aufgrund ihrer instabilen sozialen Lage an der demokratischen Ausrichtung unseres Landes zweifeln und die Absetzung der Regierung, den Austritt aus der Europäischen Union und der NATO oder sogar aus den Vereinten Nationen fordern.

In dieser schwierigen Situation, in der selbst die Stimme der Kirchen und ihrer Vertreter manchmal vage und wenig überzeugend klingt, formuliert der Vorstand der Sdružení Ackermann-Gemeinde im Februar 2023 das Hauptthema unserer deutsch-tschechischen Konferenz, welches lautet "Europa am Scheideweg - zwischen Frieden und Krieg?"
Dieser schicksalhafte Scheideweg lässt sich übertragen auf unsere insgesamt acht Milliarden Menschen zählende Zivilisation und auf alle laufenden oder drohenden kriegerischen Konflikte, seien sie ethnisch-nationaler, religiöser oder wirtschaftlicher Natur. Was uns heute interessiert, ist, wie sich "unser" Europa in diesen Konflikten verhalten wird und ob es in der Lage sein wird, den zahlreichen Krisen gemeinsam und effektiv zu begegnen. Angesichts der globalen Krisen, insbesondere der immer akuter werdenden Klimakrise, stellen Kriege das größte Hindernis für akzeptable Lösungen dar. Dennoch erlebt Europa seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, als nach Meinung der Optimisten "die Geschichte endete" (Francis Fukuyama), nun bereits den zweiten großen militärischen Konflikt.

Während der Krieg im ehemaligen Jugoslawien eher "eingefroren" ist, wie wir zum Beispiel an der zunehmend komplexen Situation in Bosnien und Herzegowina oder in Serbien und im Kosovo sehen können, ist der russische Krieg in der Ukraine ein neuer Fall eines "aufgetauten" Konflikts. Leider haben die Minsker Vereinbarungen diese seit langen bestehenden Ursachen nicht beseitigen können; viele Experten sehen den Hauptgrund für die aktuelle Eskalation darin, dass die derzeitigen Kreml-Machthaber ihre Macht stabilisieren wollen. Diese Macht ist eng an oligarchische, teilweise kriminelle Strukturen gebunden. Die immer offensichtlicher scheiternde "militärischer Sonderoperation" Putins ändert laufend ihre Ziele: Aus der "Entnazifizierung und Entmilitarisierung" der Ukraine wurde ein Krieg, der gegen den sogenannten kollektiven Westen und zum Schutz - Oh, Wunder! - angeblicher "christlicher Werte" ausgetragen werden soll. Der Kampf gegen den "Satanismus", ja gegen Satan selbst, wurde sogar vom ehemaligen russischen Präsidenten Medwedew und vom Moskauer Patriarchen Kyrill mit in das russische ideologische Arsenal aufgenommen.

Angesichts dieser Argumente, welche sich an gläubige Christen richten, ist es notwendig, die Ausrichtung unseres eigenen "christlichen Kompasses" zu überdenken. Es sollte geklärt werden, wie man mit dem andauernden Krieg umgeht, welche konkreten Maßnahmen man dagegen ergreifen kann und wie man die christliche Überzeugung, den Frieden zu verteidigen und für den Frieden zu beten, mit der Haltung eines Bürgers verbinden kann, der durch die heutigen Herausforderungen am Scheideweg steht - und manchmal leider auch in die Irre geht. All dies erfordert eine klare Entscheidung, eine Haltung, ein "Bekenntnis zur Farbe". Die Heilige Schrift und die Grundlagendokumente der Kirche, aber auch der Katechismus der Katholischen Kirche (insbesondere die Artikel 2302-2317), ermöglichen uns eine elementare Orientierung und eine Unterscheidung zwischen einem gerechten und ungerechten Krieg. Unsere tschechischen und europäischen Scheidewege, die individuellen und die kollektiven, müssen jedoch auch aus der Perspektive derjenigen betrachtet werden, die direkt vom Krieg betroffen sind oder die vor Ort helfen. Und natürlich auch aus der Sicht von Experten, die die Situation in ihrem weiteren historischen, politischen und wirtschaftlichen Kontext betrachten. Denn auch dieser Krieg wird eines Tages zu Ende gehen und die Kriegsverbrecher werden hoffentlich bestraft. Die Aufgabe der Christen wird es dann sein - wie auch bei den deutsch-tschechischen Beziehungen - ihre Erfahrungen mit dem Prozess der Versöhnung und der Wiedergutmachung von Unrecht, insbesondere zwischen gegnerischen Seiten, anzubieten - mit anderen Worten, eine Praxis der Versöhnung anzuregen. Dies ist schließlich eines der Hauptmotive der Sdružení Ackermann-Gemeinde - ein Motiv, das nach wie vor lebendig und relevant ist.

PhDr. Miroslav Kunštát, Ph.D., Vorstandsmitglied